Der Bauer und der Tod by Zingerle Roland

Der Bauer und der Tod by Zingerle Roland

Autor:Zingerle, Roland [Zingerle, Roland]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863588816
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2015-09-18T16:00:00+00:00


ZEHN

Um ihre verklebten Lider zu öffnen, musste Bettina sanfte Gewalt anwenden, und als sie die Hände hob, um den Schlaf aus ihren Augen zu reiben, fuhr ein stechender Schmerz direkt unter dem Nacken in ihren Trapezmuskel. Sie massierte sich die Schulter und stöhnte, dabei erwachte sie zunehmend. Ein Blick auf ihr Handgelenk verriet, dass es sieben Uhr dreißig war; sie stieg aus dem Auto und streckte sich ausgiebig. Bis zur Sperrstunde hatte sie gestern den Eingang des Prechtlhofs observiert, doch Svoboda hatte sich nicht blicken lassen. Also hatte sie in ihrem VW Beetle übernachtet, da sie davon ausging, sie würde erwachen, wenn ein Auto käme, so verpennt, wie die Altstadt von Althofen war.

Sie war einige Male aufgewacht. Einmal, weil sie ein seltsames Kratzen hörte sowie ein leichtes, dumpfes Klopfen an der Karosserie ihres Wagens. Vermutlich hatte sich in ihrem Motorraum eine Maus oder ein Wiesel herumgetrieben. Da die Geräusche aber nicht lange angehalten hatten, war sie wieder eingeschlafen – um beim nächsten Mal brutal geweckt zu werden, weil eine Katze auf das Autodach sprang, wohl von einem Ast darüber.

Als Bettinas Herzschlag sich wieder beruhigt hatte, war sie erneut weggedöst und wenig später ein weiteres Mal erwacht – wegen des lauten Pritschelns, mit dem ein grobschlächtiger, fetter Mann auf ihre Motorhaube pinkelte. Der Kerl war so sturzbetrunken gewesen, dass er dabei hin und her torkelte und wirklich die gesamte Front des Beetles einsaute. Dass er dabei nicht umfiel, grenzte an ein Wunder, denn er hatte sowohl Hose als auch Unterhose bis zu den Knien hinuntergelassen. Im Affekt hatte Bettina hinausspringen und ihn zur Sau machen wollen, doch dann besann sie sich eines Besseren. Zum einen würde der Typ das ohnehin nicht richtig mitbekommen, und zum anderen würde sie damit ihre Tarnung aufgeben. Als er seine Notdurft verrichtet und sich wieder halbwegs bekleidet hatte, hatte der Angesoffene vor- und zurückschwankend Unverständliches vor sich hin gemurmelt, bevor er sich in einer Slalomlinie entfernte. Seither stank es im Fahrgastraum beißend nach Urin und Spargel.

Bettina war noch zwei- oder dreimal so halb und halb erwacht, weil der morgendliche Berufsverkehr einsetzte. Das bedeutete in der Althofener Altstadt, dass zunächst die Amseln regelrecht zu brüllen begannen, woraufhin ihr Geschrei immer wieder kurz überlagert wurde, wenn etwa zwei Männer schwatzend an Bettinas Wagen vorbeigingen, der Lieferwagen eines Bäckers frische Ware zum Prechtlhof brachte oder ein Auto vorbeifuhr.

Als sie ausreichend gegähnt und sich gedehnt hatte, inspizierte Bettina die Parkplätze der näheren Umgebung, fand aber nirgendwo ein Auto mit Wiener Kennzeichen. Sie richtete ihr Gewand und kontrollierte den Zustand ihrer Schminke im Innenspiegel ihres Autos. Da sie ihr Gesicht für zivilisationstauglich befand, band sie ihre Haare zusammen und betrat einmal mehr den Prechtlhof.

Das Personal der Frühschicht kannte Bettina noch nicht, weshalb es ihre Frage, ob Herr Svoboda zu sprechen sei, nicht als lästig empfand. Allerdings sagte man ihr, dass man ob der frühen Morgenstunde unmöglich Nachschau halten könne, man wisse ja nicht, ob der Gast nicht noch schliefe.

Der Duft nach frischen Semmeln und Kaffee betörte Bettina, und sie beschloss, dass sie sich nach der harten Nacht ein Frühstück verdient hatte.



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